Kapitel 20: Modalverben


20.2.1 Unklarheit über den Freiheitsgrad

Ein Aspekt, der im Deutschen darüber entscheidet, ob sollen oder müssen zu verwenden ist, ist der Freiheitsgrad, den der Handelnde hat. Je enger der Freiheitsgrad, desto zwingender muss müssen verwendet werden. Unter Freiheitsgrad wird die Möglichkeit verstanden, alternativ zu handeln.

Bei den unten stehenden Sätzen würden die meisten Deutschen wohl schwanken. In Klammern steht die nach Meinung des Autors üblichere Variante. Intuitiv würde er aber sagen, dass eine freie und geheime Wahl nach demokratischen Grundsätzen eine Verteilung von 60 (für üblich) zu 40 (für unüblich) zu Tage brächte.

Beispiele:

Dice, que debéis ir.
= Er sagt, ihr sollt gehen. (üblich)

Dice, que tenéis que ir.
= Er sagt, ihr müsst gehen. (eher unüblich)

Si alguien se desmaya en la calle, se tiene que ayudarle.
= Wenn jemand in der Straße ohnmächtig wurde, muss man ihm helfen. (üblich)
Si alguien se desmayó en la calle, se debe ayudarle.
= Wenn jemand in der Straße ohnmächtig wurde, soll man ihm helfen. (eher unüblich)

Habría debido decirme que no iba a venir.
= Er hätte mir sagen sollen, dass er nicht kommt. (unüblich)
Habría tenido que decirme que no iba a venir.
= Er hätte mir sagen müssen, dass er nicht kommt. (üblich)

Me debe dejar en paz, entonces yo le dejo en paz también.
= Er soll mich in Ruhe lassen, dann lass ich ihn auch in Ruhe. (üblich)
Tiene que dejarme en paz, entonces yo le dejo en paz también.
= Er muss mich in Ruhe lassen, dann lass ich ihn auch in Ruhe. (unüblich)

Por mí no tienes que hacerlo si no quieres.
= Du musst das nicht für mich tun, wenn du nicht willst. (üblich)
Por mí no debes hacerlo si no quieres.
= Du sollst das nicht für mich tun, wenn du nicht willst. (unüblich)



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