Kapitel 26: Reflexivpronomen


26.1.2 Pasiva refleja und pasiva impersonal

Auch die pasiva refleja und die pasiva impersonal wurden in diesem Lehrbuch, in Kapitel 8, bereits behandelt. Die pasiva refleja sieht nun ziemlich ähnlich aus, wie das si impersonal, tatsächlich haben die beiden Konstruktionen aus grammatikalischer Sicht aber kaum Gemeinsamkeiten.

pasiva refleja

Se comen manzanas.
Man isst Äpfel.
wört.: Äpfel essen sich.

Die abstrakte Beschreibung der pasiva refleja lautet so: Bei der pasiva refleja wird das Akkusativobjekt des aktivischen Satzes zum Subjekt, welches die durch das Verb beschriebene Handlung an sich selbst ausführt. Gehen wir einmal von einem sinngleichen Satz aus.

Beispiel

Se comen manzanan <=>Todo el mundo come manzanas.
Alle essen Äpfel.

Hier ist Subjekt des Satzes "todo el mundo" und "manzanas" das Akkusativobjekt. Transformiert man den Satz in die passiva refleja, wird "manzanas" das Subjekt und da das Subjekt das Verb regiert, steht dieses dann auch im Plural.

Beispiel

Se comen las manzanas. <=> Man isst Äpfel. (wörtlich: Äpfel essen sich.)
Se come la manzana. <=> Man isst den Apfel. (wörtlich: Der Apfel isst sich.)

Manzanas ist jetzt Subjekt des Satzes, dieses regiert das Verb und es führt die durch das Verb beschriebene Handlung an sich selbst aus. (wörtlich: Äpfel essen sich.)

Es kann sein, dass man "~Se come manzanas" ab und an hört, aber richtig ist es nicht, denn Subjekt sind die zahlreichen Äpfel. Das Verb muss also im Plural stehen, wenn das Subjekt der pasiva refleja im Plural steht.

Nur wenn das Akkusativobjekt durch die Präposition "a" markiert ist, was dann der Fall ist, wenn selbiges eine Person ist, regiert das Subjekt nicht das Verb. Das ist zwar agrammatisch, dafür aber semantisch bedeutsam. Man vergleiche diese beiden Sätze.

Beispiel

Se llama a los niños.
Man ruft die Kinder.
Se llaman los niños. (Los niños se llaman...)
Die Kinder rufen sich. (Die Kinder heißen...)

Die pasiva refleja hat mit der pasiva impersonal grammatikalisch gar nichts gemeinsam. In der pasiva impersonal ist "se" schlicht ein Indefinitivpronomen und ist schlicht mit "man" zu übersetzen.

Beispiel

Se hace lo que se quiere.
Man tut, was man will.

Dieser Satz kann gar nicht in einen aktivischen Satz zurücktransformiert werden, denn ist er schon aktivisch. "Se" / "Man" ist ein Indefinitivpronomen und Subjekt des Satzes. Diese Konstruktion ist überhaupt kein Passiv und kann ins Deutsche mangels Akkusativobjekt auch nicht mit einem Passiv übersetzt werden.

Manchmal wird eine Ähnlichkeit gesehen zwischen der spanischen pasiva refleja und Konstruktionen dieser Art.

Beispiel

Das Buch verkauft sich gut. <=> El libro se vende bien.
Das Buch lässt sich gut verkaufen.
Das Auto fährt sich gut. <=> El coche se conduce bien.
Das Auto lässt sich gut fahren.
Das Buch liest sich gut. <=> El libro se lee bien.
Das Buch lässt sich gut lesen.
Das lässt sich machen. <=> Se puede hacer.
Das kann sich sehen lassen. <=> Se ve bien. (Da buena impresión.)

Konstruktion vom Typ "Das Auto fährt sich gut" sind in der Tat grammatikalisch gesehen eine pasiva refleja. Der Autor würde jetzt aber sagen, dass es sich hierbei im Deutschen nicht um ein grammatikalisches Phänomen handelt, zumindest dann nicht, wenn wir unter einem grammatikalischen Phänomen ein Muster verstehen, nachdem regelbasiert beliebig viele Sätze generiert werden können und es zu diesem Muster ein äquivalentes Muster in einer Fremdsprache gibt. Die Grammatikalität dieser Konstruktion, also die Möglichkeit nach dem gleichen Muster beliebig viele Sätze regelbasiert zu generieren, ist nicht gegeben.

1.)

Es ist ganz offensichtlich, dass man nach Sätzen, die diesem Muster folgen, im Deutschen suchen muss. Ohne lassen geht es nur mit wenigen Verben und auch dann nur, wenn noch ein Adverb dabei steht:

Das Buch verkauft sich gut <=> ~ Das Buch verkauft sich.

Ohne das Adverb gewinnt das Reflexivpronomen wieder sein volles ursprüngliches Gewicht, weshalb der Satz dann "schief" klingt.

2.)

Ein Satz der dem Modell "Das Buch verkauft sich gut" folgt, kann immer nach folgendem Muster transformiert werden: "Das Buch lässt sich gut verkaufen." Die Konstruktion scheint also im Deutschen vor allem dann gewählt zu werden, wenn vom Urheber der Handlung abgelenkt werden soll. Er ist also nicht nur, wie beim Passiv, unbekannt oder irrelevant. Bei dieser Konstruktion kommt es wesentlich auf die Handlung an, nicht auf den Urheber und aus diesem Grund funktioniert sie auch nur, wenn die Handlung durch ein Adverb näher beschrieben wird. Bei einem Satz wie "Das Buch verkauft sich gut" ist der Urheber völlig irrelevant, der Schwerpunkt liegt auf der Handlung. Eine höchst komplizierte gesellschaftliche Situation sorgt dafür, weil das Buch ein Thema behandelt, das die Leute beschäftigt, die Marketingstrategie geschickt war, es parallel dazu einen Film gab, der Autor bei einem Unfall ums Leben gekommen ist etc., dass das Buch weg geht wie warme Semmel. Selbst der unbekannte, irrelevante Urheber des Passivs, "Das Buch wird gut verkauft", wäre noch zuviel Subjekt, wenn anonyme Marktmächte das Buch verkaufen. Wer es nicht sieht, möge vergleichen.

a) Das Auto verkauft sich gut.
a) Das Auto lässt sich gut verkaufen.
aa) Das Auto wird gut verkauft.

b) Das kann sich sehen lassen.
bb) Das kann gesehen werden.

aa) ist vielleicht stilistisch nicht günstig, aber irgendwie noch möglich, denn so ansatzweise gibt es einen Verkäufer. Bei bb) allerdings wird der Sinn modifiziert. b) meint eigentlich die Außenansicht auf etwas. Zwar ist "Das" formal das Subjekt (ähnlich: Der Baum kann sich sehen lassen <=> Die Bäume können sich sehen lassen), aber auf das Subjekt kommt es nicht die Bohne an. Der "eigentlich" Ausführende der Handlung, sind die Leute, die etwas betrachten. Die sind zwar grammatikalisch nicht präsent, aber um die geht es. Setzt man den Satz nun ins Passiv, dann rückt das Subjekt in den Vordergrund. Dieses hat sich versteckt, kann aber trotzdem gesehen werden.

Wir sind also weit davon entfernt, es mit einem grammatikalischen Problem zu tun zu haben, wir haben es mit einem semantischen Problem zu tun, das aber auf wenige Konstruktionen beschränkt ist. Mit der pasiva refleja können diese Konstruktionen, auch wenn es didaktisch günstig ist, im Grunde nicht verglichen werden, denn die pasiva refleja / pasiva impersonal folgt einem festen, allgemeingültigen Muster und funktioniert mit jedem x-beliebigen Verb.




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