Grammatik Satz 208


Spanischer Sat

Rasgaría la tela de mi traje, volvería luego y repetiría la operación una y otra vez.

Deutscher Satz

Es wird den Stoff meiner Kleides durchschneiden, wird wiederkommen und die Operation immer wieder wiederholen.

Grammatik

Man kann sich jetzt ausgiebig wundern. Über die deutsche Übersetzung bald noch mehr, als über den spanischen Satz. Mit werden wird in der Regel ein Ereignis beschrieben, das in der Zukunft liegt. Diese Situation haben wir hier ja offensichtlich nicht. Hier haben wir die Beschreibung eines Ereignisses, das von einem Zeitpunkt der Vergangenheit aus betrachtet in der Zukunft liegt. In der indirekten Rede wird die Nachzeitigkeit nun mehr oder weniger konsequent durch den Konditional ausgedrückt.

Er sagte, er würde es tun.

Das heißt, dass in der Vergangenheit jemand gesagt hat, dass er irgendetwas in der Zukunft tun wird. Hier haben wir aber keine indirekte Rede. Man kann sich nun die Frage stellen, ob man außerhalb der indirekten Rede im Deutschen den Konditional verwenden kann, wenn von einem Standpunkt der Vergangenheit aus Zukünftiges geschildert wird.

a) Er würde den Stoff meines Kleides durchschneiden,
    würde wiederkommen und die Operation immer wieder wiederholen.
b) Er wird den Stoff meines Kleides durchschneiden,
    wird wiederkommen und die Operation immer wieder wiederholen.

Im Deutschen ist die Konstruktion mit würde zur Kennzeichnung eines zukünftigen Ereignisses aus der Sicht der Vergangenheit nur in der Logik der consecution temporum möglich, das heißt nur in Abhängigkeit von einem Verb der mentalen Durchdringung. Losgelöst von diesem Zusammenhang, überwiegt der hypothetische Charakter. a) bedeutet, dass er den Stoff des Kleides durchschneiden würde, wenn eine Bedingung vorläge. Ein solcher Zusammenhang ist hier aber nicht gemeint, es soll Zukünftigkeit ausgedrückt werden, und das geht außerhalb der Logik der Zeitenfolge nur mit dem Futur und zwar selbst noch dann, wenn der Bezugspunkt in der Vergangenheit liegt.

Dies scheint im Spanischen nicht so zu sein, denn auch Julio Cortázar konstruiert mit einem condicional I.

Vi que la media luna estaba orientada de manera de cruzar la zona del corazón.

Desgarraría la estameña de mi sayo
..., retornaría para repetir la operación ... otra vez ..., otra vez ...

Eine Konstruktion mit einem futuro wäre aber möglich gewesen.

Desgarrará la estameña de mi sayo
..., retornará para repetir la operación ... otra vez ..., otra vez ...

Wir könnten den Versuch starten, den condicional dadurch zu rechtfertigen, dass wir ihn innerhalb der Zeitenfolge sehen, also in Abhängigkeit von dem
... Vi que ... Dann wäre der Fall klar, weil innerhalb der Zeitenfolge der condicional Nachzeitigkeit ausdrückt, wenn das einleitende Verb, wie hier, in einer Vergangenheitszeit steht. Wir machen uns aber wenig Hoffnung, dass der Leser dieser Argumentation folgt.

Auch der englische Orginalsatz konstruiert mit einem conditional.

It would fray the serge of my robe; it would return and repeat its operations -- again -- and again.

Damit ist aber die Frage, ob man diesen Konditional hätte übernehmen müssen, noch nicht beantwortet. Das Englische bietet keine Alternative an. Das Spanische und das Deutsche hätten den Futur als Alternative gehabt.

Die Tatsache, dass im Einzelfall zwischen Zukunftsgerichtetheit und hypothetischer Schilderung nicht unterschieden werden kann, diskutieren wir in der Grammatik öfters, z.B. im Kapitel 22.5. Man sollte diese Problem aber nicht aufbauschen, denn tatsächlich ist es so, dass ein zukünftiger Sachverhalt immer auch hypothetisch ist.





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